Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main entschied in einem Urteil vom 24.01.2011, dass Schüler, die die Mittelstufe als Gymnasiasten im System G 8 absolviert haben, die also schon nach dem 9. Schuljahr in die Oberstufe versetzt werden, keine Gleichstellung mit Gymnasiasten des Systems G 9 (Beginn der Oberstufe nach Ende der 10. Klasse) erhalten. Nur letztere sind gegenüber allen Schülern gleichgestellt, die als Realschüler nach der 10. Klasse die Mittlere Reife erwerben. Die G8-Gymnasiasten nicht.

Gegen diese aus seiner Sicht bestehende Ungerechtigkeit hatte ein Schüler aus dem Main-Taunus-Kreis gegen das Land Hessen, vertreten durch das zuständige Schulamt, geklagt.

Das Verwaltungsgericht entschied jetzt, dass eine Gleichstellung nicht in Betracht käme. Es komme nicht darauf an - wie die Vertreter des klagenden Schülers argumentierten-, dass die G8-Schüler den gleichen Lehnstoff wie die G9-Schüler ein Jahr früher absolvieren und damit eine gleichwertige Ausbildung erhalten.

Das Gericht stützt seine Meinung auf folgende Argumente:

Nach dem Hessischen Schulgesetz kann die Mittlere Reife nur nach zehn Schuljahren erreicht werden. Bei Einführung von G8 hatte der Gesetzgeber hieran keine Veränderung vorgenommen. Auch die Kultusministerkonferenz der Länder habe sich nicht auf eine Berücksichtigung der Besonderheiten für G8-Schüler geeinigt. Rechtlich soll darüber hinaus noch von Bedeutung sein, dass Gymnasiasten in ihrem Bildungsgang - egal ob unter G8 oder G9 - ohnehin nicht die Mittlere Reife erwerben, sondern den Realschülern nach Ablauf von 10 erfolgreichen Schuljahren gleich gestellt werden. Sie bekommen nämlich nur die Gleichwertigkeit ihrer Ausbildung mit der Mittleren Reife der Realschüler bestätigt.

Für Schüler und Eltern von Gymnasiasten im System G8 ist das Urteil angesichts der erheblichen Mehrbelastung mit Lehrstoff in der Mittelstufe schwer verständlich. Die Differenzierung zwischen „Erwerb“ und „Gleichstellung“ wird wohl eher als verwaltungsrechtliche Spitzfindigkeit empfunden werden, als eine Anerkennung von G-8-Schülerleistungen (was das Gericht allerdings nicht als seine Aufgabe sah).Denn G8-Schüler müssen in der verkürzten Mittelstufe die gleichen Leistungen erbringen wie bisher G9-Schüler. Das Gericht konnte sich allerdings nicht über die Formulierung des Schulgesetzes hinweg setzen, wonach die Mittlere Reife erst nach zehn Schuljahren erworben werden kann. Wenig überzeugend ist allerdings das Argument, die Landeskultusministerkonferenz habe sich nicht einigen können. Zwar ist eine einheitliche Linie in den Ländern notwendig, um eine gegenseitige Anerkennung der Mittleren Reife sicherzustellen. Aber dabei handelt es sich um eine ausbildungspolitische Problematik, die das Gericht nicht als rechtliche Problematik in den Vordergrund hätte stellen sollte.

Folge der Entscheidung ist, dass den G8-Schülern eine Gleichwertigkeit ihrer Leistungen mit der Mittleren Reife erst bescheinigt wird, wenn sie ein weiteres Jahr - in der Oberstufe (sog. Einführungsphase) - verbringen. Interessant dürften folgende Anschlussfragen sein:

Erfolgt eine Gleichstellung mit der Mittleren Reife auch, wenn dieses weitere – zehnte (Schuljahr, das erste in der Oberstufe) nicht erfolgreich abgeschlossen wurde (d.h. keine Versetzung in die Qualifizierungsphase Q1 - früher Klasse 12, heute 11)?

Erfolgt eine Gleichstellung, wenn der Schüler oder die Schülerin zwischendurch mal eine „Ehrenrunde“ gedreht hat, also am Ende der neunten – bestandenen - Schulklasse schon zehn Jahre absolviert hatte?

Solche Fragen waren vom Gericht nicht zu beantworten, stellen sich bei Eltern und Schülern aber zwangsläufig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerseite hat angekündigt, in Berufung zu gehen. Eigentlich müsste die Situation die hessische Landesregierung bzw. den Landtag als Gesetzgeber dazu bewegen, eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen. Trotz schon länger zurück liegender Ankündigungen ist allerdings ein Ergebnis weiterhin nicht in Sicht.

Stand 27.01.2011